Saturday, June 7

Über Forschen und Frustration auf unterem bis mittlerem Niveau

Aloha!

Ich nutze die Gelegenheit mal und gebe ein kurzes Statement zu meinem Projekt ab. Obwohl es ja alles streng geheim ist, ist es eigentlich nichts sooo wirklich Neues wo ich dran arbeite, zumal das Kernstück des Projekts eh nicht funktioniert.
Anfang der Siebziger hat so ein Japaner namens Fujishima raugefunden, dass das mit der Photosynthese doch nicht so kompliziert ist und nicht auf Blumen beschränkt ist, sondern auch mit Titandioxid ganz gut geht. In der Öffentlichkeit (und ebenso in der Schule - mir ist nicht klar, warum die sich da nicht mal aktualisieren. Ein weiterer Schritt in Richtung Bildungskrise Deutschland. [Allerdings lang nicht so schlimm wie das Intelligent-Design in Amiland]) wurde und wird ja gepredigt, dass nur Blumen das können. Vielleicht zum Art-Erhalt oder sonstwas, wer weiss. Jedenfalls ist man dann 20 Jahre später auf den Trichter gekommen, dass das Zeug noch mehr kann und man mit UV Licht auch Schmutz und Bakterien zerhacken kann, nicht nur Wasser.
Viele schlaue Leute haben also daran gearbeitet und mehr oder minder schlaue Thesen aufgestellt, wie und warum das nun alles funktioniert. Die schlauen Leute an meiner Uni hier drüben haben sich gedacht, dass sie mal der Fleischindustrie was Gutes tun wollen und denen das Zeug teuer verkaufen. Dann müssen die nicht so viel schrubben und können länger Fleisch zerhacken, was Sinn macht, wenn man mal die Fleischpreise hier auf der Insel anguckt.
Schlau war ebenfalls die Idee das nicht nach dem alten Kochrezept 30 Minuten bei 450°C zu backen, sondern mit ner tollen Photonenkanone (neudeutsch auch LASER) drauf zu schiessen und sich so neue Möglichkeiten zu schaffen.
Das war dann auch das, was mir als "Projektarbeit" verkauft wurde, mit so ner tollen kryptischen Bezeichnung wie MA2205 oder so. Sehr aussagekräftig, aber manchmal muss man ja nehmen was man kriegt.
Nicht so schlau war dann der Weg der Beschaffung der Photonenkanone. Der war nämlich mehr als holprig. Angekommen bin ich hier ja am 13.2. diesen Jahres. Hab mich auch brav direkt gemeldet und am 14.2. angefangen mit schaffen. Da hiess es dann "Ja, der Laser, der ist unterwegs." Da denkt man dann, ok, wird der wohl in ein zwei Wochen da sein. Auf meine Nachfrage hiess es dann so Mitte bis Ende März. Im März gab es dann Probleme mit der Firma die diese tollen Dinger baut und es wurde April. Aus April wurde dann Mai. Irgendwann im Mai (Also drei Monate nach meiner Ankunft, wo im Normalfall die Projektzeit schon rum ist und der Student sich in seine Kammer zum Schreiben verzieht) kam dann besagter Laser, gerade als ich in meinen wohlverdienten Urlaub gegangen bin. Da denke ich, na gut, mein Doc wird den Laser ja sicher schon aufbauen wir können dann losrocken, wenn ich zurück bin.
Weit gefehlt. Damit son Laser auch die Art von Photonen schiesst, die man gern hätte, braucht er ein Medium dass ebendiese Photonen emittieren kann. Bei uns ist das ein Gas, KrF. Nicht-so-schlauerweise hat die Firma uns nur so ne Art Probepackung mitgeschickt. So ähnlich wie bei Rasierern, wo man dann gerade eine Klinge mitgeschickt bekommt, damit man sehen kann, dass das Ding funkioniert. Will heissen, dass wir den Laser gar nicht unter Betriebsbedingungen fahren können. Also wurde dann Gas bestellt und vielleicht so gegen Mitte bis Ende Juni kommt das dann an. Mitte Juli sollte ich nach meinem Plan fertig sein, also These schreiben (was impliziert, dass man Ergebnisse hat und diese auch diskutiert) und Präsentation etc.
Da frage ich mich ernsthaft wie das gehen soll. Mit etwas Glück habe ich also max. ne Woche Zeit, um mit dem Laser zu arbeiten. Wobei ich das natürlich nicht selbst machen darf, weil mir die Ausbildung zum Laserschiessen fehlt, und die hier sowas haben wollen. Da mein Doc ja zum Lehrauftrag berufen ist, ist er nur noch 2 Tage die Woche bei uns im Büro/Labor. So kann man also fünf Monate auf zwei Tage kondensieren. Da lacht das Forscherherz.
Und mit dem Laser-Schiessen ist es ja nicht getan. Man sollte ja eigentlich noch analysieren was man denn da verzapft hat und mindestens 37 verschiedene Messinstrumente benutzen, um alles haarklein zu dokumentieren. Allerdings besitzt die Uni von diesen 37 Messinstrumenten vielleicht so zwei. Das tolle Partikelgrößenbestimmungs-o-Meter zum Beispiel kann nur Partikel bestimmen, die etwa 5-10 Mal größer sind, als die, die wir versuchen herzustellen. Das hab ich u.a. in den knapp zwei Tagen rausbekommen in denen ich mich neben meinem sonstigen Krams durch die riesen Betriebsanleitung gewühlt habe. Was Moppelkotze ist, weil der Bereich wo dieser ganze Nano-Effekt-Driss interessant wird, eben nunmal im Nanometer Bereich liegt. Das nimmt dann auch noch die Möglichkeit zu ner gescheiten Diskussion, über das wie & warum unser Titanoxid nun so ist wie es ist.
Naja, mittlerweile hab ich da ein bisschen resigniert. Den Titel meiner Arbeit werde ich wohl ändern und das "laser cured" streichen müssen, obwohl es ja wirklich wichtig klingt. Und aus dem Projekt ist bis jetzt eher ne Literaturrecherche geworden.
Ich bin jedenfalls mehr als gespannt, was die nächsten&letzten Wochen bringen werden, und ob ich auch noch mal an ein paar Messeinrichtungen komme und etwas mehr über mein TiO2 rausbekomme.
Bleibt nur zu hoffen, dass meine Professorin in Deutschland Verständnis für die Misere hat und den Rest meiner Arbeit einigermaßen würdigt.

Ebenso bleibt es immer noch fraglich, ob ich nach meiner These hier an der Uni den Job bis zum Wintersemester bekomme. Es fehlt wie immer Geld dafür, aber meine Professorin hier will zumindest nochmal in den einen oder anderen Geldtopf reinlugen. Ich müsste das nur langsam wissen, damit ich mich ggf. wieder auf den Wohnungsmarkt stürzen kann - meine Bude in Jamaica geht offiziell nur bis Ende diesen Monats.

Was meine Zukunftspläne angeht, werde ich jetzt erstmal Richtung Kiel arbeiten. Osnabrück (obwohl die Säcke auch nach mehrmaligem Anschreiben nicht Antworten) und Koblenz (was dann ein FH-Diplom und kein Master wäre) stehen auch noch in der engeren Auswahl.

So much for now...

2 comments:

Steff said...

Willkommen in der Forschung! Freut mich das du auch angekommen bist, ich sage dir: Die Theorie macht einiges leichter, zumindest benötigen die meisten Computerfirmen nicht ewig um nen PC zu verschicken und wenn er dann da ist gibts auch zum Glück keine RAM Probepackung oder sowas.

Gruß!

Anonymous said...

Oje Inge, du arme Socke!
Und ich dachte, bei uns läuft es chaotisch! Da fragt man sich, was sich dein Chef da vorgestellt hat...
Hier in Kölle ist alles wie immer, bis auf dass überall Deutschland-Flaggen an Autos und Fenstern zu sehen sind. Das neue Vaterlandsgefühl der Deutschen, seit der letzten WM. Naja, bei euch in Britannien wird die Stimmung ja eher verhalten sein, gell? ;-)